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Geschäftsmodell Fremdgehen



Geschäftsmodell Fremdgehen«Geht eine Affäre in die Brüche, schmerzt mich das»


Geschäftsmodell Fremdgehen: Seitensprungzimmer haben sich etabliert. Ein Berner Betreiber spricht über wichtige Stammkunden, wachsame Nachbarn und verärgerte Vermieter.

Schäferstündchen im Verborgenen: Ab 120 Franken bezahlen Kunden für vier Stunden in einem Seitensprungzimmer.

Foto: Getty Images

In Kürze:

  • Peter M. vermietet seit 18 Jahren diskrete Seitensprungzimmer in der Region Bern.

  • Gebucht werden sie von Personen, die sich mit ihrer Affäre zu einem heimlichen Schäferstündchen treffen.

  • In der Schweiz werden über 100 solcher Zimmer angeboten. In der Regel wissen die Hausverwaltungen nichts davon.

  • Der Berner Betreiber flog bereits ein Dutzend Mal bei Verwaltungen auf.

Das Zimmer befindet sich im zweiten Stock eines schmucklosen Stadtberner Wohnblocks. Ein einfaches Studio mit kleinem Balkon. Typ: Studentenbude. Nur aufgeräumter. Bad, Kingsize-Bett, TV-Gerät, Mini-Küche: alles da. Auch eine Kaffeemaschine steht bereit. Doch wer hierherkommt, ist nicht an einem Kaffeekränzchen interessiert. Hier werden Liebschaften ausgelebt. Stundenweise, und schön diskret.

Im Zimmer wartet Peter M. (Name der Redaktion bekannt). Er ist Mieter des Studios, wohnt aber nicht darin. Stattdessen bietet er es Liebenden gegen Bezahlung für ihre heimlichen Schäferstündchen an. Der in der Region Bern wohnhafte Mittfünfziger empfängt in Jeans und lockerem Kurzarm-Hemd. Typ: aufgeschlossen, hemdsärmelig – das Duzis wird schnell angeboten.

Andererseits scheut der Mann die Öffentlichkeit. Weder seinen Namen noch den genauen Ort des Zimmers will er in der Zeitung lesen. Auch Fotos lehnt er ab. «Diskretion ist mir heilig», sagt er, «und ja, es ist nun mal ein Geschäft im Graubereich.» Denn sein Vermieter weiss nichts von den speziellen Untervermietungen.

Nichts daran ändern würde laut ihm auch eine Annahme der Mietrechtsrevision, über die am 24. November abgestimmt wird. Dadurch bräuchte es für Untermieten künftig eine schriftliche Genehmigung durch den Vermieter.

Fremdgegangen wird tagsüber

Peter M. lässt sich im Ledersessel des Studios nieder. Es ist ein nebelverhangener Vormittag. Das Zeitfenster fürs Gespräch beträgt zwei Stunden, danach ist das Zimmer für ein Paar reserviert. Vier Stunden haben sie gebucht. Kosten: 120 Franken. Jede weitere Stunde schlägt mit 20 Franken zu Buche. Peter M. hat das Zimmer zuvor noch gereinigt. Das erledigt er oft selbst. Manchmal hilft ihm seine Frau oder er leistet sich eine Raumpflegerin.

Auch in der Folgewoche ist das Zimmer bereits ein- oder zweimal pro Tag gebucht. Das ist eher ungewöhnlich. Die meisten buchen für einen Seitensprung spontan – halt dann, wenn es gerade passt. «Wer im Voraus reserviert, ist in der Regel Stammkunde», sagt Peter M. Es sind seine Lieblingskunden. «Die kommen zum Teil seit Jahren wöchentlich mit ihrer Affäre vorbei. Geht so was in die Brüche, schmerzt mich das.» Über die Aussage muss er selbst schmunzeln.


www.seitensprungzimmer-bern.com. Die beste Alternative in Bern.
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«Querbeet alles» verkehre bei ihm – jung und alt, vom Arbeitslosen bis zum hohen Bundesbeamten. Gebucht werden die Zimmer bloss für wenige Stunden, vorwiegend tagsüber. «Fremdgegangen wird nicht abends, da ist man zu Hause bei der Familie», sagt Peter M. mit zynischem Grinsen.

Das erste sogenannte Seitensprungzimmer ging vor rund 20 Jahren in der Ostschweiz in Betrieb. Heute gibt es diverse Anbieter. Die Anzahl Zimmer im Land lässt sich kaum beziffern, zu unübersichtlich sind die Angebote. Die Zahl ist auf jeden Fall im dreistelligen Bereich anzusiedeln. Peter M. startete damit vor 18 Jahren. Er bekam den Erfolg aus der Ostschweiz mit und dachte sich: Warum nicht auch in Bern? Er mietete dafür ein kleines Studio in Ittigen und traf auch hier einen Nerv. «Es lief wie in einem Bienenhaus», sagt er.

Dann begann er zusätzliche Zimmer zu mieten. Zuerst in Schönbühl, dann in der Stadt Bern. Er gründete das Online-Portal Seitensprungzimmer-bern.com. Fortan konnten dort auch Dritte ihre Zimmer anbieten. Dafür kassiert er pro Zimmer eine monatliche Pauschale von 50 bis 100 Franken. Auf dem Höhepunkt bot sein Portal im Kanton Bern 24 Zimmer an – 10 davon betrieb er selbst.

Flucht ins Airbnb-Geschäft

Umsatzzahlen gibt Peter M. nicht bekannt, doch er sagt: «Es ist mein Hauptbusiness, vor allem früher konnte ich gut davon leben.» Dann kam Corona. Bei dem Stichwort seufzt der ausgebuffte Geschäftsmann: «Das war hart. Niemand wollte sich mehr treffen, die Buchungen brachen komplett ein.» Er musste Zimmer aufgeben.

Und heute? «Es hat wieder etwas angezogen, aber an die früheren Zeiten kommen wir nicht heran.» Heute sind auf seinem Portal noch 18 Zimmer in der Stadt und der Agglomeration Bern aufgeführt. Zum Leben reicht es für ihn noch immer.

Am Ende der Pandemie hat er begonnen, seine Zimmer auch auf dem Buchungsportal Airbnb an Touristen zu vermieten. Quasi eine Diversifikation ins seriöse Gewerbe. Das helfe, meint Peter M. Aber: «An einem 4-Stunden-Seitensprung verdiene ich noch immer mehr als an einer Airbnb-Übernachtung.»

Seitensprungzimmer sind in der Regel in einem anonymen Wohnblock untergebracht und schlicht eingerichtet.

Foto: zvg


www.seitensprungzimmer-bern.com. Einziger unabhängiger Anbieter im Kanton Bern
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Geheimhaltung vor der Verwaltung

Beim Geschäften in einer Grauzone lauern zusätzlich noch ganz andere Unwägbarkeiten. Er habe immer mal wieder «Lämpe» gehabt, meint Peter M. Er erzählt von geklauten Kaffeemaschinen, drohenden Nachbarn und erbosten Vermietern. Sein Konzept musste er beständig anpassen. So räumt er ungeniert ein, dass er seine Zimmer zu Beginn auch an Prostituierte untervermietet hatte. Nach ein paar Jahren hörte er auf damit. Zu wenig diskret, zu viel Ärger nennt er als Gründe.

Die grösste Herausforderung ist jedoch die Geheimhaltung gegenüber der Hausverwaltung. Er habe es schon oft mit Transparenz versucht und bei einer Bewerbung die Vermieter auf sein Vorhaben hingewiesen. «Die haben immer abgewinkt.» In all den Jahren ist Peter M. rund ein Dutzend Mal aufgeflogen. Einmal hat ihn die Hauswartin bei der Verwaltung verpfiffen, sodass er das Seitensprungzimmer bereits nach drei Monaten wieder aufgeben musste.

Ein andermal hatte er einen für ihn etwas zu aufmerksamen Rentner als Nachbarn. «Der sass dauernd auf dem Balkon und beobachtete die Nachbarschaft», erzählt Peter M. Dem Mann müssen die vielen unterschiedlichen Paare aufgefallen sein, die in der Nachbarwohnung ein- und ausgingen. Also informierte er die Verwaltung. Dort erkannte man die Wohnung anhand eines Fotos auf dem Seitensprungportal des Berners. Ein Mitarbeiter mietete daraufhin das Zimmer unter falschem Namen. «Danach war ich überführt und die schmissen mich raus», sagt Peter M.

Seither zeigt er auf seinem Portal keine aktuellen Fotos mehr, sondern solche von früheren Zimmern. Auch bei der Art der Schlüsselübergabe hat er nachjustiert. Früher lief es so: Ein Kunde bucht ein Zimmer. Danach erhält er per SMS die genaue Zeit- und Ortsangabe sowie den Zahlencode, um den Kasten mit dem Wohnungsschlüssel darin zu öffnen. Dieser befand sich früher im Milchkasten beim Hauseingang.

Dies war der Diskretion offenbar nicht förderlich. So mancher Nachbar wurde misstrauisch ob der Tatsache, dass immer wieder fremde Leute aufkreuzten und am Briefkasten herumfingerten – teils mit Taschenlampe. Heute befinden sich die Schlüsselkästen von Peter M. abseits des Eingangsbereichs.

Nachbarn vermuten Drogenhandel

Solche Geschichten kennt auch Alexander Ott, Leiter des städtischen Polizeiinspektorats. So informierten Nachbarn auch schon die Polizei, weil sie aufgrund des regen Fremdenverkehrs in ihrem Block einen florierenden Drogenhandel witterten. «Vor Ort stellten wir dann jeweils fest, dass es bloss ein Seitensprungzimmer ist», so Ott. Grundsätzlich sei das nichts Illegales. Er bestätigt, dass früher auch Prostituierte oder Freier Zimmer buchten. «Heute suchen Sexarbeiterinnen hingegen eher Hotels mit Self-Check-in auf.»

Im Studio von Peter M. wird es langsam Zeit, zu gehen, die nächste Kundschaft taucht bald auf. Irgendwie ein komisches Gefühl, zu wissen, dass es in diesem geräumigen Zimmer kurzum zwischen zwei Leuten zur Sache gehen wird. Peter M. hat sich längst daran gewöhnt.

Hat er keine moralischen Bedenken? «Ganz ehrlich, das geht mir am Allerwertesten vorbei.» Die Antwort kommt schnell, er hört die Frage offenbar nicht das erste Mal. «Für mich ist es ein Geschäft wie jedes andere.» Fremdgegangen werde so oder so, sagt er, während er die Tür hinter sich schliesst, «ich biete einfach einen angenehmen und diskreten Platz dafür».

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